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«Sinner brauchte diesen Sieg»

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«Sinner brauchte diesen Sieg»

14. Juli 2025, 11:29 Uhr
Der begehrteste Pokal der Tenniswelt: Jannik Sinner hält ihn als erster Italiener in den Händen
© KEYSTONE/AP/KIN CHEUNG
Mit seinem ersten Triumph in Wimbledon hebt sich Jannik Sinner in eine neue Sphäre. Innert kürzester Zeit macht er die «Mutter aller Niederlagen» in Paris gegen Carlos Alcaraz vergessen.

Darren Cahill sagt es deutlich: «Ich hätte das nicht gekonnt. Die meisten normalen Sportler wären dazu nicht fähig.» Der australische Coach von Jannik Sinner spricht über den Final des French Open vor gut einem Monat, als der Italiener im vierten Satz 5:3 und 40:0 führte und am Ende nach fünfeinhalb Stunden noch verlor. Gegen eben diesen Carlos Alcaraz, dem er vor dem Wimbledon-Final vom Sonntag fünf Mal in Folge unterlegen war.

Nicht so auf dem Rasen in London, wo Alcaraz die letzten beiden Jahre triumphiert hatte und auch wegen der Vorgeschichte als Favorit in den Final ging. Trotz diesmal verlorenem erstem Satz war Sinner in einem erneut hochklassigen, aber weniger dramatischen Final der bessere Spieler, wie Alcaraz anerkennend feststellte. «Dieser Sieg ist auf mehreren Ebenen wichtig», betonte Cahill am späten Abend. «Er brauchte diesen Sieg. Weil es ein Grand-Slam-Final war, weil es Wimbledon war, weil er gegen Alcaraz die letzten fünf Matches verloren hatte.»

Mehr Mut bei den wichtigen Punkten

Eine Lehre aus dem so knapp verlorenen Final in Paris war die Erkenntnis, in den entscheidenden Momenten etwas mehr riskieren zu müssen. «Man spürte ein bisschen mehr Energie, mehr Fokus, als es darum ging, die Türe für Alcaraz zu schliessen», so Cahill. Sehr gut zu sehen war dies, als Sinner bei 3:4 und 30:30 im dritten Satz mit dem zweiten Aufschlag ein Ass auf die Linie schlug. Oder der aggressive Rückhand-Return der Linie entlang, mit dem er das entscheidende Break im vierten Satz holte.

Sinner erklärte, wie er mit der Niederlage in Paris umgegangen sei, mache ihn am meisten stolz. «Es war nicht einfach, aber ich wurde nie negativ. » Er habe gewusst, dass es ein grossartiger Match war. «Und es ist viel besser, so zu verlieren, als vom Gegner abgeschossen zu werden und nur zwei Games zu gewinnen.» Geholfen hat mit Sicherheit auch, dass er nicht lange Zeit hatte, daran zu grübeln, sondern sich sofort mit der Umstellung von Sand auf Rasen beschäftigen musste.

Alles andere als einfach

Die wirklich schwierige Zeit hatte Sinner in den Monaten zuvor zu bewältigen, als lange Zeit das Damoklesschwert einer Dopingsperre über ihm schwebte, die am Ende grosszügig ausfiel, ihn aber dennoch drei Monate von den Courts fernhielt. «Ich habe an die ganzen Sachen gedacht, was ich durchgemacht habe die letzte Zeit. Das ganze Jahr war nicht leicht», sagte der 23-jährige Südtiroler über seine Gedanken nach dem Triumph, bei dem beide Eltern sowie der Bruder dabei waren, was nicht oft vorkommt. «Es fühlt sich emotional an, weil nur die Leute, die mir nah sind, und ich wissen, was ich auf und neben dem Platz durchgemacht habe. Das war alles andere als einfach.» Nun ist er auf dem Gipfel angelangt. Einmal in Wimbledon zu triumphieren, bei dem Turnier, von dem alle schwärmen und das nie zuvor ein Italiener gewonnen hatte, davon hätte er noch vor wenigen Jahren nicht mal zu träumen gewagt.

Cahill und eine spezielle Wette

Der ehemalige Profi Darren Cahill, der 1988 in Gstaad gegen Jakob Hlasek einen seiner zwei ATP-Titel gewann, steht gemeinsam mit dem Italiener Simone Vagnozzi seit dreieinhalb Jahren an der Seite von Sinner und hat ihn zur Nummer 1 geformt. «Er ist ein wirklich guter, junger Mann», schwärmt Cahill. «Immer ein Lächeln auf den Lippen. Er kocht, er macht Blödsinn neben dem Platz, es passieren ihm immer wieder Missgeschicke, und wir lachen alle darüber.» Dennoch will der 59-Jährige aus Adelaide Ende Jahr eigentlich aufhören, weil ihm das viele Reisen zu viel geworden ist.

Nun könnte ihm eine Wette einen Strich durch die Rechnung machen. «Er hat mir gesagt, wenn ich morgen gewinne, kann ich aussuchen, ob er bleibt oder nicht. Das ist mein Entscheid», verriet Sinner nach dem Sieg. «Wenn ich entscheide, mit ihm weiterzumachen, wird er nicht mehr so viel reisen. Ich habe immer eine ehrliche Person gesucht, die mir viel gibt, nicht nur auf dem Tennisplatz, aber auch ausserhalb, wie man lebt. Er ist grossartig.»

Grossartig für die Tenniswelt ist auch die intensive, aber extrem freundschaftliche und respektvolle Rivalität zwischen Sinner und Alcaraz. Angesichts von deren Alter könnten sie dereinst auf einer Stufe mit Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic stehen.

Quelle: sda
veröffentlicht: 14. Juli 2025 11:29
aktualisiert: 14. Juli 2025 11:29