Seville und Jefferson-Wooden siegen über 100 m
Oblique Seville siegte in 9,77 Sekunden vor seinem Landsmann Kishane Thompson (9,82). Es war der erste jamaikanische Doppelsieg in der Königsdisziplin überhaupt, und dies unter den Augen von Weltrekordhalter Usain Bolt. Zuvor war der WM-Titel über 100 m viermal in Serie in die USA gegangen. Der als Titelverteidiger angetretene Noah Lyles blieb chancenlos und musste sich in 9,89 Sekunden mit Bronze begnügen.
Dass der 24-jährige Seville, der Ende 2018 seinen Vater verloren hat, über ein aussergewöhnliches Talent im Sprint verfügt, war schon lange sichtbar, allerdings konnte er dieses zuvor an einem Grossanlass nie in Zählbares ummünzen. An den Weltmeisterschaften 2022 in Eugene und 2023 in Budapest belegte er jeweils den undankbaren 4. Platz, an den letztjährigen Olympischen Spielen in Paris kam er im Final nicht über den letzten Platz hinaus.
Kritiker warfen Seville mentale Schwäche vor, er wusste aber, dass er psychisch stark ist. Das bewies er nun in Tokio eindrücklich, und dies, nachdem er in seinem Vorlauf lediglich den 3. Platz belegt hatte. Mit der Siegerzeit von 9,77 Sekunden verbesserte er die persönliche Bestzeit um vier Hundertstel. Seville ist nur 1,70 m gross und wird betreut von Glen Mills, jenem Trainer, der Bolt zur Nummer 1 gemacht hat.
Erneut Rang 2 für Thompson
Der zweitplatzierte Kishane Thompson, mit 9,75 Sekunden der Jahresschnellste, hatte schon an den Olympischen Spielen vor einem Jahr Silber gewonnen. Damals musste er sich um fünf Tausendstel Noah Lyles geschlagen geben. Thompson ist wie Seville 24 Jahre alt, Jamaika scheint also weitere goldene Jahre über 100 m vor sich zu haben.
Lyles hatte nach dem Vorlauf wie gewohnt grosse Töne von sich gegeben. Er sagte unter anderem, dass er nicht wisse, warum ihn jemand bezwingen sollte. Allerdings kam die Niederlage nicht überraschend. Der 28-jährige Amerikaner verletzte sich Ende April und konnte erst im Juni wieder mit Spikes trainieren. Vor der WM bestritt er bloss drei Rennen über 100 m, in denen er sieglos blieb. Zweimal unterlag er Seville und einmal Thompson. Ohnehin sind die 200 m die Paradedisziplin von Lyles.
Jefferson-Wooden wird Favoritenrolle gerecht
Bei den Frauen war die als Topfavoritin angetretene Melissa Jefferson-Wooden eine Klasse für sich. Die 24-jährige Amerikanerin, die erstmals in einer Einzeldisziplin auf dem WM-Podest stand, distanzierte in 10,61 Sekunden die zweitplatzierte Jamaikanerin Tina Clayton um 15 Hundertstel.
Schneller als Jefferson-Wooden in Tokio liefen bislang einzig die verstorbene Amerikanerin Florence Griffith Joyner (10,49) sowie die Jamaikanerinnen Elaine Thompson-Herah (10,54) und Shelly-Ann Fraser-Pryce (10,60), die als Sechste ihre 17. WM-Medaille (inklusive Staffel) verpasste. Bronze sicherte sich die Olympiasiegerin Julien Alfred aus St. Lucia (10,84).