News
Sport

Schweizer Team geht bei Tour-Premiere auf Etappenjagd

Tour de France

Schweizer Team geht bei Tour-Premiere auf Etappenjagd

4. Juli 2025, 05:31 Uhr
Marc Hirschi (2.v.l.) ist einer der Aushängeschilder des Schweizer Radsportteams Tudor
© KEYSTONE/EPA/GIAN EHRENZELLER
Tour de France - eine Faszination, die begeistert. Erstmals seit neun Jahren bestreitet mit Tudor Pro Cycling eine Schweizer Equipe das grösste jährlich stattfindende Sportereignis der Welt.

Die Tour de France ist eine einzigartige Mischung aus sportlicher Höchstleistung, landschaftlicher Schönheit und epischer Dramatik. Über drei Wochen bekämpfen sich die besten Radprofis der Welt, oft bis an die Grenze des Machbaren oder Erträglichen. Die Tour de France ist nicht nur einfach ein Rennen. Sie ist ein rollendes Spektakel, ein nationales Ereignis in Frankreich und ein globales Sportmonument mit über 100 Jahren Geschichte.

Das Maillot jaune und seine Strahlkraft

Das Maillot jaune des Führenden in der Gesamtwertung ist das strahlende Symbol der Tour de France und ihr ultimatives Ziel. Es ist weit mehr als nur ein Stück Stoff. Wer Gelb trägt, steht im Rampenlicht, wird bewundert, gejagt, geprüft. Das Trikot macht einen Fahrer zur Zielscheibe, aber auch zur Ikone. Seit 1919 gehört es untrennbar zur Tour-Geschichte. Namen wie Eddy Merckx, Bernard Hinault, Miguel Indurain, Chris Froome oder Tadej Pogacar haben es geprägt - und jeder, der es erobert, schreibt ein Stück Sportgeschichte.

Heldenstatus hat auch Fabian Cancellara erlangt. 29 Tage lang hat der Berner das Maillot jaune getragen und damit so lange wie kein anderer Schweizer. Nur zwölf Fahrer stehen in dieser Statistik vor dem vor knapp zehn Jahren zurückgetretenen Doppel-Olympiasieger - und sie alle haben im Gegensatz zu ihm mindestens einmal die Gesamtwertung gewonnen.

Cancellara ist ein Intimus des Radsports. Nun kehrt er als Besitzer des Schweizer Tudor-Teams auf die ganz grosse Bühne zurück. Möglich gemacht hat dies eine zusätzlich Wildcard, die der Weltverband UCI 2025 für alle Grand Tours vergibt. Das Teilnehmerfeld wurde somit von 22 auf 23 Teams aufgestockt. Nach IAM Cycling im Jahr 2016 ist Tudor das erste Schweizer Team, dass die Tour de France bestreitet.

Behutsam Richtung Spitze

Tudor hat eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Cancellara trat 2022 in das Nachwuchsprojekt ein, das 2018 unter dem Namen Swiss Racing Academy gegründet worden war. Dabei gelang es dem Berner, den Uhrenhersteller Tudor als Hauptsponsor und Namensgeber zu gewinnen. Zur Saison 2023 wurde das Team in die zweite Kategorie des internationalen Radsports aufgenommen und erhielt den Status eines UCI ProTeams. Bereits im vergangenen Jahr feierte das Team am Giro d'Italia sein Debüt bei einer Grand Tour.

Mittlerweile konnte das Team mit dem Energydrink-Hersteller Red Bull und seit Neustem auch mit der in Genf ansässigen Kreuzfahrtgesellschaft MSC Cruises weitere wichtige Partner gewinnen, die sich dem Projekt langfristig verpflichten.

Dass Tudor eine Einladung zur diesjährigen Tour de France erhalten hat - als eines der wenigen Teams ausserhalb der WorldTour -, liegt nicht zuletzt an zwei hochkarätigen Neuzugängen: dem zweifachen Weltmeister Julian Alaphilippe und dem Schweizer Hoffnungsträger Marc Hirschi. Alaphilippe trug bei der Tour 2019 das Gelbe Trikot über 14 Tage und wurde damit in Frankreich zum Volkshelden.

Etappensieg als Ziel

Ambitionen auf den Gesamtsieg hat Tudor nicht - das stellt Marc Hirschi klar: «Wir haben keinen Leader für die Gesamtwertung.» Die Ziele bei der Tour-Premiere sind dennoch hoch gesteckt. «Wir wollen auf Etappensiege fahren. Wir haben für jeden Tag jemanden, der um den Sieg mitkämpfen kann», so der Berner weiter.

Tatsächlich bringt Tudor ein ausgewogenes Team an den Start, das auf allen Terrains konkurrenzfähig ist. Mit Julian Alaphilippe und dem Australier Michael Storer verfügt die Equipe über zwei Fahrer, die in den Bergen Chancen auf Tagessiege haben. Für die Sprintankünfte ist der Italiener Alberto Dainese gesetzt, während sein Landsmann Matteo Trentin als erfahrener Klassiker-Spezialist ebenfalls für einen Coup gut ist.

Und natürlich ist auch Marc Hirschi selbst ein Trumpf im Aufgebot - oder er könnte einer sein. Denn hinter seiner Form steht ein grosses Fragezeichen. Das dreiwöchige Höhentrainingslager in der Sierra Nevada, das er nach seiner Nicht-Nominierung für den Giro d’Italia unter anderem gemeinsam mit Alaphilippe absolvierte, zeigte bislang nicht die erhoffte Wirkung. Während Alaphilippe kürzlich an der Tour de Suisse überraschend um einen Podestplatz in der Gesamtwertung kämpfte, fehlte Hirschi bei der Heimrundfahrt noch die nötige Form. «Ich hatte noch nicht ganz die Beine, um vorne mitzufahren», räumte der 26-Jährige ein.

Den Tritt wieder finden

Dabei war Hirschi eigentlich vielversprechend ins neue Jahr gestartet. Nach einem starken Saisonfinish 2024 und dem Wechsel von UAE Team Emirates zu Tudor gewann der Berner gleich sein erstes Rennen im neuen Trikot. Doch eine Erkrankung warf ihn zurück. Im März musste er wichtige Trainingsblöcke auslassen. Seither läuft er seiner Bestform hinterher und konnte er die hohen Erwartungen, die Tudor in ihn als Co-Leader setzt, bislang nicht erfüllen.

Um bei der Tour de France mit den Besten mithalten zu können, muss alles zusammenpassen - so wie 2020. Damals feierte Hirschi bei der Frankreich-Rundfahrt seinen ersten Profisieg und wurde als kämpferischster Fahrer der gesamten Tour ausgezeichnet. Er fuhr noch für das Team DSM, ehe der Wechsel zu UAE Emirates folgte. Dort stand er bei seinen zwei Tour-Teilnahmen im Schatten von Superstar Tadej Pogacar. Persönliche Freiheiten blieben aus.

Das ändert sich nun bei Tudor. Nach zwei Jahren Pause darf Hirschi wieder angreifen, sich als Ausreisser versuchen - und vielleicht erneut für Gänsehautmomente sorgen. Der Teppich für neue Heldengeschichten ist ausgerollt.

Quelle: sda
veröffentlicht: 4. Juli 2025 05:31
aktualisiert: 4. Juli 2025 05:31