«Noè profitiert nun von den gemachten Erfahrungen»
Dank der zwei Silbermedaillen von Noè Ponti über 50 und 100 m Delfin ist die Schweiz in Singapur so erfolgreich wie noch nie an einer Schwimm-WM, die im 50-m-Becken ausgetragen wird. Markus Buck, der Chef Leistungssport von Swiss Aquatics, zieht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA Bilanz und spricht auch über die dynamische Entwicklung im Schwimmen sowie die Herausforderungen für den Verband.
Markus Buck, Noè Ponti ist der erste Schweizer, der an einer Langbahn-WM zwei Medaillen gewonnen hat. Sein Trainer Massimo Meloni sagte, Ponti sei im Vergleich zu einem normalen Schwimmer ein Hai. Ist er das grösste Talent, das die Schweiz bisher gehabt hat?
«Er ist ein herausragendes Talent, ja. Talent zu haben, ist jedoch das eine. Von den Finalisten über 100 m Delfin sind die ersten fünf mindestens so talentiert wie Noè. Genauso entscheidend ist es, smart zu trainieren. Da leisten er und sein Trainer sowie das Team im Hintergrund in Tenero vorzügliche Arbeit. Zudem lernen sie aus Fehlern, nehmen sie sich diese zu Herzen und kommen nach Rückschlägen stärker zurück. Noè profitiert nun von den gemachten Erfahrungen über die Jahre.»
Mit einem besseren Anschlag über 50 m Delfin hätte Ponti Gold geholt, und auch über 100 m Delfin war dieser nicht perfekt. Hat er dort noch am meisten Potenzial?
«Mit dem Anschlag hatte er tatsächlich ein paar Mal Probleme. Allerdings ist er nun über 100 m Delfin mit einer Zeit unter 50 Sekunden (49,83) in eine neue Sphäre vorgedrungen. Es ist klar, dass dann der Rennplan nicht mehr so aufgeht wie zuvor. Im Moment des Anschlags gilt es, in Sekundenbruchteilen zu entscheiden. Ob es besser gewesen wäre, einen Armzug weniger zu machen, das ist Spekulation. Dass er nicht so schlecht entschieden hat, unterstreicht die Silbermedaille. Mit dem nun höheren Niveau ist der Anschlag aber sicherlich etwas, das im Training langfristig vorbereitet werden muss.»
Roman Mityukov lief es im Final über 200 m Rücken mit Rang 7 nicht wie gewünscht, nachdem er an den Olympischen Spielen in Paris sowie an den vorangegangenen beiden Weltmeisterschaften auf dem Podest gestanden hatte. Wie schwer wiegt die Enttäuschung?
«Wir können von den Athleten nicht mehr verlangen, als dass sie sich Jahr für Jahr steigern und dass sie ihre Bestleistungen beim Saisonhöhepunkt abrufen. Das ist Roman mit dem Schweizer Rekord im Halbfinal gelungen. Auch im Final beging er keinen groben Fehler, er war fokussiert. Selbst wenn er gleich gut geschwommen wäre wie im Halbfinal, hätten mehr als zwei Zehntel zur Medaille gefehlt. Wenn die Konkurrenz seit Paris 2024 so viel schneller geworden ist, müssen wir das anerkennen. Er wird das Ganze nun mit seinem Trainer Clément Bailly tiefgehend analysieren. Er hat mir schon gesagt, dass er stärker zurückkommen werde. Genau das zeichnet einen Athleten wie ihn aus und braucht es auf diesem Niveau, um auch in Zukunft kompetitiv zu sein.»
Abgesehen von Ponti und Mityukov überstand keiner aus dem Schweizer Team die Vorläufe. Wie fällt Ihre Bilanz allgemein aus?
«Ich bin zufrieden, mit Ausnahme von Lisa (Mamié), die krank geworden ist, haben alle persönliche Rekorde oder Saisonbestzeiten erzielt. Es darf nicht vergessen werden, dass hier in Singapur ein extrem mühsames Klima (heiss und feucht) herrscht. Wir wussten, dass Antonio (Djakovic) und Lisa nicht bei 100 Prozent sind, dennoch war es für die beiden wichtig, an die WM zu kommen. Wir als Verband stehen hinter ihnen, vertrauen ihnen, dass sie wieder zur alten Stärke zurückfinden. Das ist wichtig, sonst entsteht nicht jenes gegenseitige Vertrauensverhältnis, das es für eine langfristige, erfolgreiche Zusammenarbeit braucht.»
Sie bezeichnen die aktuelle Generation als goldene. Wie sieht es dahinter aus?
«Alles in allem können wir sehr zufrieden sein. Zudem sind Ponti (24), Mityukov (25) und Djakovic (22) ja alle noch jung und sollten an den Olympischen Spielen 2028 nach wie vor voll im Saft sein. Dann plant Thierry Bollin (25) nochmals richtig anzugreifen, da die 50 m Rücken neu olympisch sind. Mit Lisa Mamié schauen wir von Jahr zu Jahr. Im Nachwuchs sieht es erfreulicherweise ebenfalls gut aus. An den U23-Europameisterschaften holten wir viele Finalplatzierungen, an den Junioren-Europameisterschaften gab es in diesem Jahr ebenso Medaillen wie am EYOF (Olympisches Sommerfestival der europäischen Jugend). Zu erwarten, dass in der nächsten Generation wieder solche Ausnahmekönner dabei sind, wäre allerdings ein bisschen vermessen. Es gilt nun einfach, alle Athletinnen und Athleten sukzessive weiterzuentwickeln, wie wir das auch mit dieser Generation gemacht haben. Dann schauen wir. Die WM hat gezeigt, wie dynamisch sich das Schwimmen entwickelt.»
Apropos dynamische Entwicklung. An der WM 2009 in Rom gab es dank High-Tech-Anzügen Weltrekorde en masse. Weil solche Ganzkörperanzüge 2010 verboten wurden, schien es schwierig zu sein, diese zu unterbieten. Nun sind die meisten ausgelöscht. Was sagen Sie dazu?
«Das macht unsere Sportart mit dem Element Wasser aus. Es werden immer wieder neue Lösungen gefunden, dass es noch schneller wird. Es gibt keinen Stillstand, und das erzeugt einen enormen Druck auf die Sportlerinnen und Sportler sowie die Trainer, aber auch auf uns als Verband. Wir müssen immer mehr investieren und immer mehr Aufwand betreiben. Diesbezüglich sind wir im Moment zwar gut unterwegs. Wir haben ein gutes Team, sind sehr breit aufgestellt, auch was die Sportwissenschaft, das Medizinische und das Mentale betrifft. Doch ist das Finanzielle eine grosse Herausforderung. Auf der einen Seite sind da die Sparpläne des Bundes, dann gibt es in der Sportförderung in der Schweiz im Jahr 2027 eine Systemumstellung. Da gehe ich ebenfalls davon aus, dass dies für uns Mitteleinbussen zur Folge haben wird. Wir dürfen nicht abwarten, müssen schauen, dass wir so viel Geld wie möglich selber generieren können. Dabei helfen natürlich die Erfolge von Ponti. »