«Ich spiele jetzt Soccer»
Um einen Thomas Müller muss man sich keine Sorgen machen - auch nicht nach dem Umzug von München an die Westküste Kanadas. «Für mich ist es immer darum gegangen, ich selbst zu sein. Das werde ich auch hier sein», sagte der 35-jährige frühere Nationalspieler, als er in der kanadischen Metropole offiziell als Spieler der Vancouver Whitecaps vorgestellt wurde.
Müller ist auch in englischer Sprache ein Unterhaltungsprofi, Witze reisst er bei seiner Pressekonferenz vor zahlreichen Sponsoren und Anhängern des Vereins so selbstverständlich und oft, wie es das deutsche Publikum von ihm kennt. «Ich war gewohnt, Fussball zu spielen. Jetzt spiele ich Soccer», scherzte er gleich zu Beginn.
«Läberkäs» inklusive
Gleichwohl steckt in vielen von Müllers Sätzen die übliche Portion Lebensweisheit und Analyse, für die er eben auch bekannt ist. Er wisse, wie man staubsaugt und eine Wohnung putze, antwortet er auf die Frage nach den grössten Herausforderungen, nun, da er erstmals ohne das vertraute Umfeld und im Ausland lebe. «Ich war in meinem Leben schon immer sehr neugierig und habe es immer geliebt, mit Menschen nicht nur zu arbeiten, sondern auch Zeit zu verbringen. Deswegen fühle ich da überhaupt nichts Fremdes. Ich werde mich hier vielmehr sehr schnell heimisch fühlen, denke ich.»
Zugang zu echtem «Läberkäs» habe er ja auch, meinte er mit Blick auf das von einer Deutschen geführte Catering-Unternehmen, das zur Begrüssung ein Buffet mit Brezeln und anderen bayerischen Köstlichkeiten errichtete. «Man muss dazu sagen, dass die bayerische Küche jetzt nicht unbedingt für den Leistungssport kreiert worden ist, zumindest nicht für den modernen», scherzte Müller. «Und trotzdem kann man es hin und wieder geniessen. Ich bin jedenfalls froh, dass ich auch hier eine Anlaufstelle habe und mir nicht was aus Deutschland schicken lassen muss.»
Am Flughafen wurde Müller von einer Abordnung des Musqueam-Stammes mit einem traditionellen Trommel-Marsch begrüsst, bei der Pressekonferenz bekam er eine Adler-Feder und ein handgefertigtes Stirnband des Squamish-Stammes geschenkt - und das alles vor etwa 200 Leuten. «Hier ist mehr los als an jedem Wahlabend. Kein kanadischer Politiker ist auch nur annähernd so gross wie er», sagte ein kanadischer Kameramann.
Müller startet in Kanada also in das Abenteuer, das er gesucht hat - ohne dabei aus den Augen zu verlieren, was ihm die meiste Freude bringt. Ein Abenteuer sei «nur spannend, wenn man um Titel kämpfen kann», sagte der Rekordspieler des FC Bayern, der sich von seiner Nummer 25 trennt und in Vancouver wie bei der Nationalmannschaft mit der Nummer 13 auf dem Rücken auflaufen wird. Dass die Möglichkeit auf einen erfolgreichen Abstecher in die fremde Welt besteht, davon ist Müller überzeugt. «Es gibt eine Chance auf Titelgewinne. Nicht nur in diesem, sondern auch im nächsten Jahr.»
Auf Playoff-Kurs
Die Whitecaps liegen in der Western Conference der Major League Soccer auf Platz 2 und damit auf Kurs Richtung Playoffs, in der getrennt davon ausgespielten Canadian Championship steht das Team im Halbfinal und «ist auf gutem Weg, zum vierten Mal in Serie kanadischer Meister zu werden. Das hat es noch nie gegeben», wie Axel Schuster stolz betonte. Der deutsche Manager mit Vergangenheit beim FC Schalke und dem FSV Mainz steht in Vancouver seit bald sechs Jahren als Sportdirektor in der Verantwortung. Er ist der Ansicht, dass «Stadt, Team und Fans sich den grössten Transfer ihrer Geschichte und die damit verbundene Aufmerksamkeit verdient haben».
«Wir haben Thomas aber nicht wegen der Aufmerksamkeit verpflichtet. Sondern deshalb, weil er dem Team helfen wird.» Schon im ersten Gespräch zwischen Schuster, Müller und Trainer Jesper Sörensen sei es lange und intensiv um Müllers Rolle in der Mannschaft gegangen. «Ich habe schnell gemerkt, dass es ihm nicht ums Geld geht, sondern um Fussball», sagte Schuster der Deutschen Presse-Agentur. «Es stört ihn nicht, dass wir ein kleiner Klub sind. Es stört ihn nicht, dass wir auf Kunstrasen spielen. Ihm geht es wirklich um Fussball und unsere Idee davon.»
Müller mag Sörensen - schon am ersten Tag des Kennenlernens ist der Umgang so vertraut, dass der Deutsche dem Dänen eine kraftvolle Schultermassage auf der Bühne verpasst. Müller fühlt sich wohl in seiner neuen Umgebung. «Meine ganze Karriere lang habe ich es immer geschafft, mich relativ schnell auf mein Umfeld einzustellen. Meine Mannschaften, auch wenn ich stets bei Bayern geblieben bin, und meine Mitspieler haben sich immer wieder verändert. Der Spielstil des Fussballs hat sich verändert, und ich habe immer wieder meine Nischen gefunden, wichtig für das Team zu sein.»