Auch nach Crash - weiter keine Entharmonisierung bei McLaren
«Ich hätte das nie tun sollen. Zum Glück ist Oscar (Piastri) nichts passiert. Ich habe den Preis für meinen Fehler bezahlt»: Lando Norris sorgt mit der Reaktion auf den von ihm verschuldeten Crash dafür, dass es bei McLaren harmonisch bleibt.
Dabei könnten nach dem Grossen Preis von Kanada in Montreal die Zeichen auch auf Sturm stehen. Erstmals in dieser Saison schaffte es kein McLaren aufs Podest. Erstmals kollidierten die orangenen Boliden. Endlich schien einzutreffen, was viele schon lange erwarten: Dass die Harmonie im Team McLaren nicht von Dauer sein kann, weil Lando Norris und Oscar Piastri zu jung und zu ehrgeizig sind und zu ambitioniert den Weltmeistertitel jagen.
Schon vor dem Rennen hatte Andrea Stella, der Chef bei McLaren, gesagt, dass es eine Frage des «Wann» und nicht des «Ob» bis zu einer Kollision sei. Die Kollision erfolgte im Finish des Rennens in Montreal. Wer aber erwartete, dass die Harmonie bei McLaren zerbrechen würde, der wurde vorerst bitter enttäuscht.
«Zum Narren gemacht»
Weil Lando Norris eben Lando blieb. Er begegnete allen kritischen Fragen mit erfrischender Ehrlichkeit, wie man sie in der Formel 1 im Prinzip nicht sieht. Norris: «Ich dachte, Oscar (Piastri) driftet nach rechts, also gab es die Möglichkeit, nach links zu ziehen. Aber ja: Das Risiko war viel zu gross, vor allem auch für meinen Teamkollegen. Zum Glück ist ihm nichts passiert. Ich habe das Team im Stich gelassen, das werde ich nicht so schnell vergessen. Wenn ich mein Team im Stich lasse und mich selber zum Narren mache, dann bereue ich das sehr.»
Norris, der vielleicht selbstkritischste Fahrer im Feld, nahm über den Funk von Anfang an und noch ehe er aus dem Auto ausstieg, alle Schuld auf sich. Dann ging er zum Teamchef, um sich zu entschuldigen. Später unterbrach er ein TV-Interview, um sich bei Piastri zu melden, ihm die Hand zu schütteln und in die Augen zu schauen, um sich zu entschuldigen.
«Er sagt, was er denkt»
Das beeindruckte Piastri: «Lando (Norris) hat sich bei mir entschuldigt, das sagt wohl einiges aus. Lando ist ein sehr guter Kerl. Ich denke, es liegt in seinem Charakter und in seiner Persönlichkeit, immer genau das zu sagen, was er denkt. Wenn das für ihn selbst von Nachteil ist, spielt das für ihn keine Rolle. Das ist eine grossartige Eigenschaft von Lando.»
Selbstkritik ist in der Formel 1 selten. Die Reaktion von Norris stand in krassem Gegensatz zur Art und Weise, wie Max Verstappen zwei Wochen vorher auf einen offensichtlichen eigenen Fehler reagierte, als er in George Russells Auto fuhr und sich die Strafe einhandelte, wegen der ihm in diesem Monat sogar eine Sperre droht (bei einem weiteren Vergehen). Statt sich zu entschuldigen, machte sich Verstappen über Russell lustig.
Weiter keine Teamorder
Und McLaren? Wird sich nach dem Crash in der Team-Hierarchie etwas ändern? Bislang fuhren Norris und Piastri gleichberechtigt und ohne Einschränkungen. In einer ersten Stellungnahme meinte Teamchef Stella, dass «wir unsere Parität und Gleichheit in Bezug auf die Art und Weise, wie wir bei McLaren Rennen fahren, zwischen beiden Fahrern bewahren werden. Das wäre vielleicht anders, wenn Lando nicht sofort die Verantwortung übernommen und sich entschuldigt hätte.»
Schliesslich beträgt die Differenz zwischen Piastri und Norris bloss 22 Punkte. Schon am nächsten Grand Prix könnte Norris Piastri in der WM-Wertung überflügeln. Und erst beim übernächsten GP sind wir in der Formel 1 bei Halbzeit angelangt.