Winterthurer Gericht verurteilt Psychiater wegen Sex mit Patientin
Zusätzlich zur Freiheitsstrafe erhielt der Mediziner ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot. Er darf also nicht mehr als Psychiater arbeiten und muss seine Praxis aufgeben. Zudem muss er der jungen Frau 6000 Franken Genugtuung zahlen.
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, er kann es noch weiterziehen. Der Mann war angeklagt, weil er mit einer Patientin zwei Mal Sex hatte, jeweils am Abend in der leeren Praxis.
Für das Gericht gab es «keinerlei Zweifel» an den Aussagen der Patientin. Es gebe auch Beweise, so der Richter. Einerseits die Belege für zwei «Pillen danach», andererseits einen Laborbericht zu sexuell übertragbaren Krankheiten. Die junge Frau wollte sichergehen, dass sie sich bei ihrem Psychiater «nichts eingefangen hatte», wie sie in der Befragung selber sagte.
«Lügen wegen Borderline-Störung»
Der langjährige Mediziner stritt die sexuellen Handlungen ab. Die Frau habe eine Borderline-Störung und lüge. «Hier zu stehen und mich als Psychiater rechtfertigen zu müssen, ist höchst unangenehm», sagte der Mediziner mit 39 Jahren Berufserfahrung.
Die Patientin habe im Laufe der Behandlung romantische Gefühle für ihn entwickelt und ihm Avancen gemacht. «Ich habe sie abgewiesen. Deshalb hat sie ein Strafverfahren gegen mich veranlasst.» Seine Anwältin betonte, dass die Frau eine Borderline-Störung habe.
Menschen mit Borderline hätten erwiesenermassen die Tendenz, sexuellen Missbrauch zu erfinden. «Es ist eine Mischung aus Fehlinterpretation, Gedächtnisverzerrung und dem Wunsch nach Aufmerksamkeit.» Die Frau sei nur «begrenzt glaubwürdig».
Sie kann nicht «Nein» sagen
Die junge Frau betonte in der Befragung jedoch, keinerlei Lügen zu erzählen. Sie habe ihm nie «Avancen gemacht». «Ich mochte ihn, er war immer da.» Sie habe auch ohne Termin in der Praxis vorbeigehen können, wenn es ihr schlecht gegangen sei.
Zur Zeit des ersten Vorfalls hatte sie Schwierigkeiten mit Männern. «Er sagte, ich solle am Abend nochmals in die Praxis kommen. Er wisse eine Lösung für meine Probleme», sagte die Privatklägerin. «Er wusste, dass es mir schwer fällt, Nein zu sagen.»
Beim Sex an sich sei sie passiv gewesen, sie habe sich weder verbal noch körperlich gewehrt. «Ich hatte das Gefühl, ich müsse mitmachen, um ihn als Psychiater nicht zu verlieren.» Als er ihr Piercing in den Mund nahm, wünschte sie sich, er möge daran ersticken.
Er habe seine Stellung als Psychiater klar ausgenutzt. Das sei ihr aber erst später klar geworden, weshalb sie die Vorfälle erst ein halbes Jahr danach angezeigt habe. Heute sei sie wütend auf ihn, sagte sie mit gedämpfter Stimme. «Ich habe durch diese Vorfälle noch mehr Probleme mit Vertrauen.»
Die Aussicht auf eine Genugtuung war ihr beim Strafverfahren nicht wichtig. «Ich hoffe, dass er eingesteht, was er gemacht hat.» Die Frau ist nach wie vor in psychiatrischer Behandlung.