«Montse, was denken Sie über die Schweiz?» - «Pia»
Montse Tomé sitzt am späten Freitagabend im Pressekonferenzraum des Wankdorfstadions. Die spanischen Medienschaffenden haben sich vor der Nationaltrainerin versammelt, sprechen über den dritten Sieg im dritten Spiel ihres Nationalteams an dieser Europameisterschaft.
Gegen Italien setzen sich die Weltmeisterinnen nach Startschwierigkeiten und Rückstand schliesslich doch souverän 3:1 durch und holen sich in der Gruppe B den ersten Rang, und damit das Ticket für ein Viertelfinalduell gegen die Schweiz.
In ihren ausführlichen Analysen, in denen die 43-Jährige detailliert erläutert, welche Gedanken für sie entscheidend gewesen seien, für dieses letzte Gruppenspiel gleich fünf Wechsel in der Startformation vorzunehmen, wirft sie irgendwann fast beiläufig ein, dass Spanien nun erstmals überhaupt eine Gruppenphase ohne Punktverlust überstanden hat.
Es ist eine Statistik, die angesichts der Dominanz, welche die spanische Auswahl in den letzten Jahren bei den Frauen entwickelt hat, fast nicht faktenbasiert zu sein scheint. Doch Tomé, die im September 2023 im Nachgang des Weltmeistertitels und des Skandals um den früheren Verbandspräsidenten Luis Rubiales in die Verantwortung des Frauen-Nationalteams gehoben wurde, hat ihre Fakten im Griff.
Tomé lobt Esther Gonzalez, die dank ihres vierten Treffers an diesem Turnier nun vor Alexia Putellas beste Torschützin ist. Mit ihrer Erfahrung, ihrer Torgefährlichkeit, aber auch ihrem Positionsspiel und ihrer Spielintelligenz und dem guten Gespür für eine Partie, ob sie nun abwartend spielen oder ins Pressing gehen soll, sei die 32-Jährige unglaublich wertvoll fürs Team. Auch wenn sie gegen Italien erstmals an dieser EM von der Bank kam. «Egal, ob wir fünf Spielerinnen auswechseln oder nicht – alle die reinkommen, kennen ihre Aufgaben. Also ändert nicht viel, egal, wer spielt. Das ist eine unserer Stärken.»
Fortschritte von Spiel zu Spiel
Irgendwann kommt sie dann doch noch, die Frage zur Schweiz. Je nach Blickwinkel könnte es beinahe als Akt der Höflichkeit angesehen werden, dass sich die Trainerin doch noch zum nächsten Gegner ihres Teams äussern soll. Denn dass die Spanierinnen in der Schweiz eine viel grössere Geschichte zu schreiben gedenken als diejenige der ungeschlagenen Gruppenphase, ist evident.
«La Roja» will Europas Fussballthron besteigen, zum ersten Mal überhaupt. «Es gibt vieles, was wir noch besser machen können», sagt Tomé. «Das Wichtigste ist, dass wir von Spiel zu Spiel Fortschritte machen.» Die in Asturien gross gewordene Trainerin, die in ihrer Aktivkarriere auch 46 Partien für den FC Barcelona absolviert hat, sagt, gerade in der Partie gegen Belgien habe vor allem defensiv nicht alles so geklappt, wie sie sich dies vorstellen würde.
Dass das Team von Pia Sundhage sich in extemis gegen Finnland in die Viertelfinals gespielt hat, ist Tomé freilich nicht entgangen, mehr als ein paar Videos habe sie von der Schweiz jedoch noch nicht gesehen. Apropos Sundhage: Die Schweizer Nationaltrainerin ist die erste Person, die von ihrer spanischen Berufskollegin erwähnt wird, wenn sie auf die Schweiz angesprochen wird.
Mühe mit der Fünferkette
«Pia war noch nicht da, als wir das letzte Mal gegen die Schweiz gespielt haben», sagt Tomé, was durchaus als Kompliment zu verstehen ist. Die Spanierin weiss, wie viele Erfolge die Schwedin in ihrer langen Karriere als Coach gefeiert hat. Und sie weiss, dass Sundhage dieses Schweizer Team auch dank ihrer Spielphilosophie und Beharrlichkeit in die K.o-Phase geführt hat.
«Die Schweiz spielt in der Abwehr mit fünf Spielerinnen», sagt Tomé. «Das wird nicht einfach für uns. Gegen diese Taktik haben wir schon oft Mühe bekundet.» Zudem geniesse das Team eine grossartige Unterstützung vom einheimischen Publikum. «Sie werden in ihren Spielen getragen.» Es sind Sätze, die einem gut anstehen, wenn man über ein gegnerisches Team spricht, gegen welches man eigentlich als haushoher Favorit antreten kann, gleichzeitig aber nicht als überheblich gelten möchte.
Jedenfalls sei sie froh, sagt Tomé, könne sie ihr Team nun eine knappe Woche auf die nächste Aufgabe vorbereiten. Ein bisschen ausruhen werde sie sich auch. «Aber nicht viel. Schliesslich haben wir noch viel Arbeit vor uns.»