Mit diesen Spielerinnen will die Schweiz über sich hinauswachsen
In den mächtigen Marmorsäulen spiegelt sich das Licht, auf einem langen Tisch mit weissem Tischtuch ist ein Buffet angerichtet. Der Rahmen ist gehoben, als am Montagvormittag am Hauptsitz der UBS an der Zürcher Bahnhofstrasse ein Geheimnis gelüftet wird, das gar keines mehr gewesen ist.
Seit Freitag waren die Spielerinnen, die sich einen Platz im Schweizer Kader für die Heim-EM gesichert hatten, tröpfchenweise enthüllt worden. Mal mit einem Trikot am Zaun vor dem Trainingsplatz des Jungendvereins, mal mit dem Namen auf dem Segel eines Boots auf dem Zürichsee, mal mit einem Graffito an einer Tramhaltestelle, mal mit einem nach der Spielerin benannten Brötchen in einer lokalen Bäckerei.
Für die Schnitzeljagd um die 23 Plätze im EM-Kader von Pia Sundhage, die der Verband als «The Chase» anpries, liessen sich die Verantwortlichen im SFV einiges einfallen und waren auch bestrebt, die Enthüllungen über alle Landesteile zu verteilen. Als Letzte wurden am Montag Meriame Terchoun und Riola Xhemaili bekanntgegeben.
Lehmann beeindruckt Sundhage
So kreativ sich die Schweiz bei der Kaderbekanntgabe präsentierte, so wenig vermag das finale Aufgebot von Trainerin Sundhage zu überraschen. Am Freitag hatte die Schwedin die 35 Spielerinnen, die sie für die zwei Vorbereitungswochen hatte einrücken lassen, darüber informiert, ob sie sich einen Platz am Heimturnier hatten erkämpfen können.
Sehr emotional seien diese Gespräche zum Teil verlaufen, erzählt Sundhage am Montag. Schliesslich liess sie durch ihren Entscheid den EM-Traum vieler Spielerinnen platzen. Denjenigen Seraina Piubels, zum Beispiel. Die Offensivspielerin war erst am vergangenen Montag in Nottwil zum Team gestossen, nachdem sie ihr Klub West Ham nicht früher hatte einrücken lassen.
Offenbar gelang es der 25-Jährigen in dieser Woche nicht, die Nationaltrainerin von ihren Qualitäten zu überzeugen. Auch Eseosa Aigbogun, die schon über Turniererfahrung verfügt, hat den letzten Cut nicht überstanden.
Sundhage betont auch in diesem offiziellen Rahmen wieder, was sie in den letzten Wochen schon mehrmals gesagt hat: Dass nicht zwingend die besten individuellen Spielerinnen Teil des Kaders seien, sondern diejenigen, die sich am besten ins Team einfügen. Über Alisha Lehmann war in letzter Zeit immer wieder diskutiert worden, schliesslich hatte die Bernerin bei Juventus Turin eine durchzogene Saison erlebt und wenig gespielt.
Gerade aber die 26-Jährige hebt Sundhage, die nicht gern über einzelne Spielerinnen spricht, explizit heraus. «Alisha hat mich in der Vorbereitung beeindruckt. Sie hat gezeigt, dass sie wirklich ein Teil dieses Teams sein möchte.» Auch Leila Wandeler ist der Nationaltrainerin speziell ins Auge gestochen. Die 19-jährige Freiburgerin steht bei Olympique Lyon unter Vertrag und hat als einzige Feldspielerin noch keinen Länderspieleinsatz. Auch Nadine Böhi, die nominell dritte Torhüterin, wartet noch auf ihr Debüt in Rot-Weiss. «Leila hat es verdient, in diesem Team zu sein. Mit ihrer Unbekümmertheit kann sie für uns noch sehr wertvoll sein», konstatiert Sundhage.
Nummer 1 im Tor wird am Montag bestimmt
Apropos Torhüterinnen: Auch anderthalb Wochen vor dem ersten Spiel gegen Norwegen möchte sich die 65-Jährige nicht festlegen, ob sie Elvira Herzog oder Livia Peng das Vertrauen schenken wird. «Es ist keine einfache Situation, aber ich bin in konstantem Austausch mit den Torhütertrainerinnen», sagt die Skandinavierin. Noch am Montag will Sundhage jedoch im Staff den Entscheid fällen, ob Herzog, die Torhüterin von RB Leipzig, oder Livia Peng, die nach einer starken Saison bei Werder Bremen zu Chelsea nach London wechselt, als Nummer 1 ins Turnier steigen soll.
«Es ist wichtig», sagt Sundhage, «dass alle ihre Rolle kennen und diese annehmen.» Schliesslich könne jede Spielerin, egal ob sie zur Stammformation oder zu den Ersatzspielerinnen gehöre, etwas zum Erfolg des Teams beitragen. «Wir möchten gerne mehr als drei Spiele spielen, und wenn wir in guter physischer Verfassung sind, haben wir nicht nur die Chance, die Viertelfinals zu erreichen, sondern es auch zu gewinnen.» «Aiming for the sky», nennt es Sundhage.
Das Nationalteam will an der Heim-EM über sich hinauswachsen. Am liebsten bis in den Himmel.