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«Die meisten Erwartungen wurden deutlich übertroffen»

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«Die meisten Erwartungen wurden deutlich übertroffen»

29. Juli 2025, 17:23 Uhr
Turnierdirektorin Doris Keller zieht eine positive EM-Bilanz
© KEYSTONE/PETER SCHNEIDER
Doris Keller war als Turnierdirektorin das Gesicht der Fussball-Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz. Nun kann die weit gereiste Bernerin wieder in den Hintergrund rücken.

Über zwei Jahre war Doris Keller als Turnierdirektorin der EM in der Schweiz auf allen möglichen Ebenen gefordert. Nun kann die Bernerin bilanzieren. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht Keller über Herausforderungen, flexiblere Stadionarchitektur - und eine rundum glückliche Nationaltrainerin Pia Sundhage.

Doris Keller, nach knapp vier Wochen ist die Fussball-Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz vorbei. Wie fällt die Bilanz der Turnierdirektorin aus?

«Sehr positiv. Wir haben sehr viel erreicht mit dieser EM. Wir haben mit über 650'000 Fans in den Stadien einen Rekord aufgestellt. Die meisten Erwartungen, die wir vor diesem Turnier hatten, wurden deutlich übertroffen.»

Gab es für Sie ein persönliches Highlight?

«Das Highlight war für mich der erstklassige Fussball, den wir in den Stadien sehen konnten. Und auch die Leistungen der Schweizerinnen.»

Das Schweizer Nationalteam zog erstmals in seiner Geschichte in die K.o.-Phase einer Europameisterschaft ein. Inwiefern ist der Erfolg des Gastgeberlandes wichtig für das Gelingen eines Turniers?

«Das Weiterkommen des Schweizer Teams hat sicher geholfen, im Land eine Euphorie zu entfachen. Die Schweizerinnen haben sich sehr gut auf dieses Turnier vorbereitet, auch wenn das die Resultate nicht unbedingt vermuten liessen. Deshalb freut es mich, dass ihnen ein gutes Turnier gelungen ist. Die Nationaltrainerin Pia Sundhage schrieb mir gerade ein SMS und erzählte, wie sie auf dem Weg in die Ferien nach Schweden immer wieder angesprochen werde und wir die beste Europameisterschaft der Geschichte erlebt hätten. ‹Well done, Switzerland›, schrieb sie. Diese Wertschätzung zu erleben, freut mich sehr.»

Rund die Hälfte der Fans in den Stadien waren Frauen. Während des Turniers kam immer wieder die Problematik auf, dass sich vor den Frauen-Toiletten lange Schlangen bildeten. Haben Sie diese Situation unterschätzt?

«Nein. Die Stadien wurden nicht dafür gebaut. Wir wussten, dass es an diesem Turnier mehr weibliche Fans haben wird als bei einem Männerturnier, wo der Frauenanteil zuletzt bei der EM in Deutschland bei rund 20 Prozent lag. Dass es gleich 50 Prozent sein würden, kam auch für uns im OK etwas überraschend, aber wir haben versucht, Anpassungen zu machen und Lösungen zu finden. Das ging nicht immer auf, aber ich glaube, langfristig müssten Stadien flexibler gebaut werden, sodass einfacher Anpassungen gemacht werden könnten - je nach Publikum.»

Trotz Rekordinteresse resultiert ein Defizit von rund 25 Millionen Franken. Schmerzt Sie das nicht?

«Dieses Turnier war für die UEFA ein Investitionsprojekt. Es gibt vor allem auch ein Defizit aufgrund der Preisgelder, die an diesem Turnier so hoch waren wie nie. Das Defizit wird aber vollumfänglich von der UEFA getragen. Klar muss so ein Turnier langfristig rentabel werden. Aber die Richtung ist sehr positiv. Wir sind schon viel rentabler als früher. Wir hatten jetzt Partner, die erstmals in den Frauenfussball investiert haben. Deshalb wird es wichtig sein, sie zu überzeugen, auch weiterhin zu investieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass die nächste EM in vier Jahren am Ende mit einer ausgeglichenen Bilanz dastehen wird.»

97 Prozent der Tickets für dieses Turnier wurden verkauft. Für nur 25 Franken konnte man bereits in die Stadien. Hätten Sie in Anbetracht des Defizits die Preise höher ansetzen müssen?

«Es war von Anfang an unser Ziel, die Menschen in die Stadien zu bringen. Eine vierköpfige Familie sollte für 100 Franken ins Stadion gehen können. Das ist uns geglückt. Das Ganze muss organisch wachsen.»

Sie sind in ihrem beruflichen Leben schon viel gereist, haben unter anderem in Südamerika, China und Indien gelebt. Als Turnierdirektorin waren sie jetzt quasi zwei Jahre lang an die Schweiz gebunden. Brechen Sie jetzt wieder auf in die grosse, weite Welt?

«(lacht) Jetzt werden wir zuerst noch ein ausführliches Debriefing dieses Turnieres machen. Danach werde ich mich eine Weile erholen, weil es schon eine anstrengende Zeit war in den letzten zwei Jahren. Aber ich bin sicher, dass ich dann wieder eine spannende Aufgabe finden werde, egal wo.»

Quelle: sda
veröffentlicht: 29. Juli 2025 17:23
aktualisiert: 29. Juli 2025 17:23