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Die letzten Geschworenen der Schweiz urteilen im Tessin

Strafgericht TI

Die letzten Geschworenen der Schweiz urteilen im Tessin

9. Mai 2025, 09:01 Uhr
In diesem Gericht in Lugano entscheiden die letzten Geschworenen der Schweiz über Schuldfrage und Strafmass mit. (Archivbild)
© KEYSTONE/PABLO GIANINAZZI
Das Tessin kennt als einziger Kanton noch das Geschworenengericht. Mit einer Verfassungsänderung hat der Südkanton die Geschworenen in der Kantonsverfassung beibehalten. Kommende Woche wohnen vier Geschworene einem Mordprozess in Lugano bei.

Wenn es am Tessiner Strafgericht um Mord oder vorsätzliche Tötung geht, werden die einzigen Geschworenen der Schweiz einberufen. Denn dann beantragt die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von fünf oder mehr Jahren. Konkret entscheiden in solchen Prozessen drei Richter und vier Geschworene gemeinsam über die Schuldfrage und das Strafmass.

Diese Form des Gerichts kennt nur noch das Tessin. Mit der Einführung der schweizerischen Strafprozessordnung im Jahr 2011 wurden die Geschworenengerichte abgeschafft. Der Grund: Die neue eidgenössische Strafprozessordnung erlaubt ihren Einsatz nicht mehr, da sie das sogenannte Unmittelbarkeitsprinzip nicht mehr vorsieht.

Mit Unmittelbarkeitsprinzip ist gemeint, dass die Geschworenen den Gerichtssaal ohne Aktenkenntnis betreten mussten und nur aufgrund der mündlichen Verhandlung über Schuldfrage und Strafmass entschieden.

In der neuen Strafprozessordnung hatte die Figur des Geschworenen keinen Platz mehr - oder sie musste durch neue Anforderungen und Aufgaben ins Zeitalter der revidierten Strafprozessordnung hinüber gerettet werden.

51,7 Prozent stimmten gegen die Abschaffung

Genau dies passierte im Tessin: In einer Petition beantragten zwei an der Universität Luzern tätige Juristen der Gesetzgebungskommission des Grossen Rates die Erhaltung der Geschworenen. Und weil das Geschworenengericht seit 1855 in der Tessiner Kantonsverfassung verankert war, musste die Verfassungsänderung - also die Abschaffung der Geschworenen in Hinblick auf das Inkrafttreten der Strafprozessordnung - vors Volk.

Am 28. November 2010 - nur ein Monat vor Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung - stimmte das Tessin ab. Und hielt mit 51,7 Nein-Stimmen der Abschaffung des Geschworenengerichts entgegen.

Seither arbeiten die Geschworenen unter etwas anderen Voraussetzungen: Sei erhalten bereits vor der Hauptverhandlung Einsicht in die Akten und werden damit den Anforderungen der neuen Strafprozessordnung gerecht.

Kommende Woche entscheiden vier Geschworene mit, wenn ein Tessiner vor dem Strafgericht Lugano steht. Der Mann wird beschuldigt, im Mai 2023 auf einem Schulhausplatz im Maggiatal einen 41-Jährigen mit drei Schüssen getötet zu haben. Der Mann ist des Mordes angeklagt.

Quelle: sda
veröffentlicht: 9. Mai 2025 09:01
aktualisiert: 9. Mai 2025 09:01