Das neu gebildete Beachvolley-Duo überrascht
In den letzten Monaten machten Tanja Hüberli und Leona Kernen nicht nur auf der Tour grosse Schritte, sondern auch im Leben abseits des Beachvolleyballs. Kernen schloss das Sport-Gymnasium ab und Hüberli holte die letzten Punkte für ihren Bachelor an der pädagogischen Hochschule. Sie ist nun ausgebildete Lehrerin.
Mit diesem Hintergrund liegt beim Trainingsbesuch in Bern die Frage nahe: Wie sieht das Zwischenzeugnis für das neu gebildete Team Hüberli/Kernen nach dem ersten Halbjahr aus? Hüberli hält einige Sekunden inne und sagt dann: «Man müsste uns eigentlich ein ‹sehr gut› geben.»
Eine Antwort, in der Vieles steckt. Vorab auch ein gewisser Stolz über das bisher Erreichte. Gleich beim ersten Wettkampf stiessen Hüberli und Kernen in den Final vor. Nach Platz 2 in Yucatan, einem Turnier der zweithöchsten Klasse (Challenge), bewies das Duo, dass es auch auf höchster Stufe bestehen kann. Am Elite16 in Quintana Roo realisierten die Schweizerinnen Rang 5, zuletzt am Heimturnier in Gstaad gab es einen 4. Platz. «Die Ausbeute ist viel grösser, als wir uns das vorgestellt haben», sagt Hüberli. «Denn wir hatten zu Beginn keine Ahnung, was uns erwarten würde.»
Erfahrung und Talent kombiniert
Es war ein Experiment, das die beiden Frauen nach der letzten Saison eingegangen sind. Auf der einen Seite war die 32-jährige Hüberli, die im Sommer an den Olympischen Spielen in Paris Bronze gewonnen hatte und nach acht Jahren an der Seite von Nina Brunner eine neue Partnerin suchte. Auf der anderen war die damals noch 19-jährige Leona Kernen, die zwar in den Nachwuchskategorien brillierte, aber keine Erfahrung auf höchstem Niveau mitbrachte.
«Für mich war alles neu», sagt Kernen rückblickend. Die erfahrenen Gegnerinnen, die vielen Reisen, das schnellere Spiel: An all das musste sich die Bernerin erst gewöhnen. Wobei nun kaum von einem abgeschlossenen Prozess die Rede sein kann. «Ich kann immer noch viel verbessern», hält Kernen, die am vergangenen Freitag ihren 20. Geburtstag feierte, nach ihrem ersten Halbjahr auf der Tour fest.
Neben technischen Feinheiten betrifft das vor allem die Ruhe und Abgeklärtheit. Auf sehr gute Spiele folgten teils Ausreisser nach unten. «Es kann schon mal frustrierend sein, wenn wir weit von dem weg sind, was wir eigentlich spielen könnten», sagt Hüberli. Handkehrum sei dies auch normal. «Wir sind ein neues Team, haben noch viel zu lernen. Leona spielt das erste Mal auf diesem Niveau. Und es ist beeindruckend, welches Level sie in kurzer Zeit schon erreicht hat.»
Entdecken statt verkriechen
Bei den Ausführungen könnte ein Bild entstehen, das Hüberli auch im Sport als Lehrerin und Kernen als «Azubi» zeigt. Dem widerspricht die Schwyzerin jedoch. «Leona ist kein Lehrling», sagt sie bestimmt und spricht stattdessen von einem gegenseitigen Austausch. Hüberli gibt ihre Erfahrung an Kernen weiter und profitiert umgekehrt von der Unbeschwertheit und Neugier ihrer Partnerin – auch abseits des Sandplatzes.
Gerade auf den verschiedenen Reisen zeigt sich Kernens Lust am Erleben. Statt sich wie zuletzt oft ins Hotel zu verkriechen, geht Hüberli dann auch mit in örtliche Lokale, spielt Yatzy oder besucht Sehenswürdigkeiten. «Während bei Nina und mir nach so vielen Jahren auf der Tour eine gewisse Routine da war, entdecke ich mit Leona Vieles wieder neu.» Andernorts zeigt sich der Altersunterschied: Fürs Sonnenbaden am Strand beispielsweise kann sich Hüberli anders als Kernen nicht mehr begeistern.
Entwicklung steht über Resultaten
Wie gut sich die beiden Athletinnen beeinflussen, zeigte sich im ersten Halbjahr eindrücklich. Darauf wollen sie nun auch aufbauen, ohne sich zusätzlich Druck zu machen. Der am Mittwoch beginnenden EM in Düsseldorf blicken die beiden mit einer gewissen Gelassenheit entgegen. Dass Hüberli bei ihren letzten drei Teilnahmen (2024 setzte sie aus) dreimal den Final erreichte und zweimal Europameisterin wurde, ist Vergangenheit. «Nun ist die Ausgangslage eine ganz andere.»
Statt bestimmte Ziele anzustreben, will sich das Duo schrittweise weiterentwickeln. Gelingt das, kommen die Resultate erfahrungsgemäss von selbst. So könnte aus dem «sehr gut» im Zwischenzeugnis bis Ende Saison sogar ein «fantastisch» werden.