Wasserkrise: Teheran trocknet aus
Mohsen, 38, betreibt einen kleinen Fast-Food-Laden im Stadtteil Wali-Asr. «Ich habe ein einjähriges Baby, und für die Pflege brauche ich Wasser. Doch genau das fehlt uns leider derzeit», sagt er. Weil auch die Kühlung oft ausfällt, bringt seine Frau das Kind manchmal zu den Grosseltern, in einen anderen Bezirk.
Oft halten die Sparmassnahmen für Stunden an, der Wasserdruck in vielen Gebäuden ist niedrig. Die aktuelle Krise hat tiefe Ursachen - und das Klima ist nur eine davon.
Wie politische Entscheidungen die Wasserkrise verschärften
Der Iran zählt zu den trockensten Ländern der Erde. In den vergangenen Jahren haben Klimaforscher einen deutlichen Rückgang der Niederschläge verzeichnet, während extreme Wetterereignisse wie Dürreperioden zunehmen.
Der Klimawandel trifft das Land schneller und härter als viele andere Regionen. Dennoch ist der Wasserverbrauch in der Islamischen Republik mit ihren mehr als 85 Millionen Einwohnern hoch - vor allem in der Landwirtschaft.
Umweltaktivisten warnen seit Jahren vor einer Wasserkrise, die heute in vielen Landesteilen spürbar ist. Nach der Islamischen Revolution 1979 und dem Iran-Irak-Krieg (1980-1988) intensivierte die Staatsführung die Nutzung der Wasserressourcen: Aus Angst vor Versorgungsengpässen in Zeiten von Sanktionen wurde die Landwirtschaft zur Selbstversorgung ausgebaut. Grossprojekte wie Staudämme hat man vorangetrieben, oft auf Kosten des Wasserschutzes.
Behörden warnten bereits im März vor einer Krise
Bereits im Frühjahr schlugen die Behörden ungewöhnlich offen Alarm. Ein wichtiger Stausee nahe Teheran sei wegen ausbleibender Niederschläge nur noch zu sieben Prozent gefüllt, erklärte ein Vertreter des Wassermanagements im März. Mit Beginn des Sommers verschärfte die Regierung ihre Warnungen und rief zum Wassersparen auf. Landesweit sind an sieben Staudämmen die Füllstände auf unter zehn Prozent gesunken, in den Provinzen Hormusgan und Fars sind zwei Talsperren sogar vollständig ausgetrocknet.
Energieminister Abbas Aliabadi bekräftigte am Dienstag seinen Appell an die Bevölkerung: «Der Verbrauch muss in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Es sollte ein einheitliches Verbrauchslimit für alle Menschen im Iran gelten - für Reiche wie für Arme», sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Tasnim. «Es ist nicht gerecht, wenn jemand in einem Pool schwimmt, während ein anderer nicht einmal Wasser zum Trinken hat.» An einigen Tagen liess die Regierung bereits Behörden schliessen, um Strom und Wasser zu sparen.
Wasserkrise trifft auf politisch angespannte Lage
Während die Regierung angesichts der Krise die Vielverbraucher nun stärker zur Kasse bitten will, sprechen Kritiker von Missmanagement. Immer wieder werfen Umweltaktivisten der Staatsführung vor, die Verantwortung auf die Bevölkerung abzuwälzen, statt strukturelle Probleme anzugehen. Als Beispiele nennen sie die Übernutzung von Grundwasservorräten, das Austrocknen von Seen und Flüssen. Die Folge: ausgetrocknete Böden, instabile Ökosysteme - und immer häufiger Sandstürme.
Für die Regierung des moderaten Präsidenten Massud Peseschkian ist der Wassermangel eine von vielen Krisen - und trifft das Land in einer heiklen Phase. Vor knapp einem Monat beendete eine von den USA vermittelte Waffenruhe den zwölf Tage langen Krieg zwischen Iran und Israel. Die Angst vor neuen Angriffen bestimmte viele Gespräche der vergangenen Wochen. Nun dominiert die Wasserkrise die Debatten.
Von vertrockneten Landschaften in die Städte
Ein bekanntes Beispiel ist der Urmia-See im Nordwesten - einst der grösste See im Nahen Osten. Seit den 1990er-Jahren hat er rund 90 Prozent seiner Fläche verloren. Wo früher Ausflugsschiffe fuhren, erstrecken sich heute Salzflächen mit gestrandeten Booten - ein weithin sichtbares Mahnmal der Krise.
Die Wasserkrise hat auch tiefgreifende soziale Folgen. In den vergangenen Jahrzehnten vollzog sich eine massive Binnenmigration. Schätzungen zufolge haben viele Millionen Iranerinnen und Iraner ihre von Trockenheit geplagten Heimatorte verlassen - vor allem in den ländlichen Dürreregionen im Zentral- und Südiran. Viele flüchteten in wasserreichere Landesteile - und nach Teheran, wo die Krise inzwischen ebenfalls spürbar ist.
Wassermangel in allen Lebensbereichen
In der Hauptstadt trifft der Wassermangel alle Gesellschaftsschichten. Mahmud ist Sportwissenschaftler und gibt Schwimmunterricht. Seit Jahresbeginn hat er einen Pool gemietet und Mitarbeiter angestellt - für ihn eine Investition von umgerechnet rund 8000 Euro im Monat. Vergangene Woche stellten die Stadtwerke das Wasser ab, der Pool musste schliessen. «Ich stehe kurz vor der Insolvenz», sagt er. Gerade in den Sommerferien macht er den Grossteil seines Einkommens.
In einem anderen Stadtteil sorgt sich Asghar, ein Bäcker, um seinen Betrieb. «Manchmal führt sogar die schlechte Wasserqualität dazu, dass der Teig unbrauchbar wird», sagt er. Auch die Klimaanlage funktioniere nicht mehr richtig. Die Arbeit in der Bäckerei sei inzwischen kaum auszuhalten - doch der 42-Jährige macht weiter. «Ich hoffe sehr, dass der Sommer bald vorbei ist.»