Israel billigt Gaza-Einnahme - 60.000 Reservisten einberufen
Israel billigte zudem ein höchst umstrittenes Siedlungsprojekt im besetzten Westjordanland, mit dem das Gebiet faktisch in einen nördlichen und einen südlichen Teil unterteilt würde. Damit würde ein zusammenhängendes Territorium für einen künftigen palästinensischen Staat erschwert - wenn nicht gar unmöglich gemacht.
An der Einnahme der Stadt Gaza sollten vor allem Soldaten im aktiven Wehrdienst beteiligt sein, erklärte ein Militärvertreter. Israelische Truppen seien bereits in Vororten der Stadt Gaza präsent. Er nannte dabei die Viertel Al-Saitun und Dschabalija. Ingesamt sollen nach israelischen Medienberichten nach den neuen Einberufungen bis zu 130.000 Reservisten im Gazastreifen im Einsatz sein.
Zivilbevölkerung in Gaza soll vor Offensive fliehen
Es wird befürchtet, dass die Offensive die ohnehin katastrophale Lage der Zivilbevölkerung im abgeriegelten Gazastreifen, wo insgesamt rund zwei Millionen Palästinenser leben, noch verschlimmern wird.
Die Zivilisten in der Stadt Gaza - nach Schätzungen rund eine Million Menschen - sollen sich dem Plan des israelischen Militärs zufolge in Zeltquartiere weiter im Süden des Küstenstreifens begeben. Dort solle ihre Versorgung mit medizinischer Hilfe und Nahrungsmitteln gewährleistet werden, sagte ein Vertreter des Militärs. Wiederholte Vorwürfe internationaler Hilfsorganisationen, Israel blockiere systematisch die Versorgung der Zivilbevölkerung, weist das Militär energisch zurück.
Hamas-Grossangriff auf israelischen Militärposten in Gaza
Bei einem dramatischen Vorfall im Süden des Gazastreifens griffen nach israelischen Militärangaben mehr als 15 schwer bewaffnete Palästinenser eine Stellung der Armee an. Sie hätten im Bereich der Stadt Chan Junis auf die israelischen Soldaten geschossen und Panzerabwehrraketen eingesetzt, teilte ein Militärvertreter mit. Einige seien in den Posten eingedrungen.
Die Truppen hätten das Feuer erwidert und in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe zehn der Angreifer getötet, die aus mehreren Tunnelschächten gekommen seien. Israelische Medien berichteten, man gehe davon aus, dass die Angreifer beabsichtigten, Soldaten zu entführen. Drei Soldaten seien verletzt worden, einer davon schwer, teilte die Armee mit.
Der militärische Hamas-Arm reklamierte den Angriff für sich. «Die Kassam-Brigaden bekräftigen, dass solche Einsätze so lange andauern werden, bis die Besatzung endet und unser Volk Freiheit erlangt», hiess es in der Mitteilung der islamistischen Terrororganisation.
Antwort Israels auf Waffenruhe-Vorschlag noch offen
Die Genehmigung zur Einnahme der Stadt Gaza erfolgte, obwohl die Hamas am Montag nach eigener Darstellung internationalen Vermittlern eine «positive Antwort» auf einen neuen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen vorgelegt hatte. Mit einer offiziellen Reaktion Israels wird bis Ende der Woche gerechnet. Medienberichten zufolge soll das Sicherheitskabinett am Donnerstag zusammenkommen.
Den Berichten nach handelt es sich bei dem jüngsten Vorschlag für eine Waffenruhe um eine aktualisierte Fassung des zuvor verhandelten Vorschlags des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Dieser sieht eine 60-tägige Feuerpause vor, während der zehn lebende Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge freigelassen werden. Insgesamt befinden sich in Gaza noch 50 Geiseln, von denen noch mindestens 20 am Leben sein sollen.
Es wurde spekuliert, der Beschluss des Sicherheitskabinetts zur Ausweitung des Krieges könne Verhandlungstaktik sein, um die Hamas unter Druck zu setzen, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich flexibler zu zeigen.
Einsatz in Gaza auch gegen Hamas-Tunnelsystem
Die Stadt Gaza sei immer noch die wichtigste Hochburg der Hamas, sagte der israelische Militärvertreter. Die Organisation verfüge weiterhin über «operative Fähigkeiten» und sei zu einem «Guerillakrieg» in der Lage. Ziel des Einsatzes sei es auch, ihr unterirdisches Tunnelsystem zu zerstören.
Israelischer Ausschuss billigt umstrittenes Siedlungsprojekt
Ein israelischer Planungsausschuss billigte unterdessen Baupläne für Siedlungen in einem besonders sensiblen Gebiet im Westjordanland. Dies teilte die israelische Organisation Peace Now mit, die mit einem Repräsentanten vor Ort vertreten war. Der israelische Siedlerrat begrüsste die Entscheidung.
Es geht dabei um den Bau von rund 3.400 Wohneinheiten im sogenannten E1-Gebiet zwischen Ost-Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim. Das Gebiet gilt wegen der geografischen Lage als besonders heikel, weil eine Bebauung das Westjordanland faktisch in einen nördlichen und einen südlichen Teil unterteilen würde.
Streit um Anerkennung eines palästinensischen Staates
Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich hatte entsprechende Siedlungspläne vor knapp einer Woche angekündigt. Dieser Schritt «begräbt endgültig die Idee eines palästinensischen Staates», sagte er vor Ort.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ab - ebenso wie die islamistische Hamas im Gazastreifen. Mit Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert.
Mehrere Staaten - darunter Frankreich, Kanada und Australien - wollen im kommenden Monat einen palästinensischen Staat anerkennen. Israel lehnt die Anerkennung dagegen als «Belohnung für die Hamas» nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 ab. Bei dem Terrorangriff im Süden Israels wurden rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt.
Im Gaza-Krieg wurden seither nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 62.000 Palästinenser getötet. Fast alle Einwohner des Küstenstreifens sind seit Kriegsbeginn vor fast zwei Jahren zu Binnenflüchtlingen geworden.