Cassis will sich eigenes Bild der Lage im Nahen Osten machen
Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sollte am Dienstagnachmittag in Tel Aviv landen, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA erfuhr. Insgesamt wollte er etwas mehr als 20 Stunden in der Region verbringen. Eines der Ziele sei, sich eine eigene Meinung über die humanitäre Hilfe in der Region zu bilden.
In der vergangenen Woche erntete Cassis Kritik. Dies insbesondere als er begründen wollte, warum die Schweiz sich nicht einem Brief von 20 europäischen Staaten angeschlossen hatte, in dem gefordert wurde, dass die Hilfe im Gazastreifen von der UNO und humanitären Organisationen gesteuert werden sollte.
Der Tessiner war der Ansicht, dass das Schreiben von Vornherein den israelischen Plan, die Verteilung der Hilfsgüter über die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF) zu kontrollieren, ablehnte. Bei den ersten Verteilungen von Hilfsgütern durch GHF wurden mehrere Dutzend Menschen getötet. GHF ist in den USA ansässig und hatte eine nicht funktionsfähige Filiale in Genf angemeldet.
Kritik aus dem Parlament und Diplomatenkreisen
Während der Beschuss der israelischen Armee zugeschrieben wurde, meinte der Bundesrat, dass man «nie wissen» werde, wer wirklich verantwortlich sei.
Ein weiterer Kritikpunkt von Parlamentsmitgliedern und Nichtregierungsorganisationen war, dass der EDA-Vorsteher seiner Linie treu blieb und weiterhin Israel sowie die Hamas gleich verurteilte. Viele forderten eine stärkere Verurteilung Israels aufgrund der Luftangriffe und der Blockade humanitärer Hilfe.
Kritik an den Bundesrat kam auch aus diplomatischen Kreisen. Dutzende ehemalige Schweizer Botschafter und Hunderte von EDA-Mitarbeitern werfen Cassis vor, dass er keinen ausreichend scharfen Ton gegenüber der israelischen Haltung anschlägt. Laut mehreren UNO-Agenturen hungert die gesamte Bevölkerung im Gazastreifen.
Keine Gespräche mit Netanjahu
Die Frage der humanitären Hilfe ist nicht die einzige auf Cassis' Tagesordnung. Am Mittwochmorgen trifft sich der Bundesrat mit dem palästinensischen Premierminister Mohammad Mustafa und anschliessend mit dem israelischen Chefdiplomaten Gideon Sa'ar. Ein Treffen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt, ist hingegen nicht vorgesehen.
Die Schweiz muss ihre Position vor der UNO-Konferenz über die Zwei-Staaten-Lösung, die vom 17. bis 20. Juni in New York stattfindet, festlegen.
Mehrere Länder könnten bei dieser Gelegenheit einen palästinensischen Staat anerkennen. Das Abschlussdokument könnte aber eher zu Bemühungen aufrufen, diesen Schritt zu erreichen. Die Verbündeten Israels lehnen dieses Szenario ab. Sie argumentieren, dass eine solche politische Entscheidung einer Legitimierung der Hamas gleichkomme.