Zürcher Kantonsrat will Mittel für Wohnbauförderung aufstocken
Einigkeit herrschte am Montag im Rat darüber, dass der Kanton Zürich mehr günstige Wohnungen braucht. Über den richtigen Weg dorthin diskutierte das Parlament jedoch den ganzen Morgen. Zur Debatte stand eine von derzeit fünf hängigen Volksinitiativen zu diesem Thema, Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich».
Nach dreieinhalb Stunden trat das Kantonsparlament schliesslich mit 104 zu 68 Stimmen - gegen die Stimmen der Ratslinke - auf den Gegenvorschlag der Regierung zur Initiative eines Mitte-Links-Bündnisses ein. Die kantonale Initiative sieht vor, den Gemeinden die Einführung eines Vorkaufsrechts für Grundstücke zu ermöglichen.
Die zweite Lesung mit der Schlussabstimmung findet in ein paar Wochen statt. Dann wird die Initiative dem regierungsrätlichen Gegenvorschlag gegenübergestellt. Das letzte Wort hat dann das Stimmvolk.
Mittel verdoppeln
Der Gegenvorschlag sieht vor, mehr Mittel für den Bau preisgünstiger Wohnungen bereitzustellen. Dafür soll der Rahmenkredit für die Darlehen der Wohnbauförderung von 180 auf 360 Millionen verdoppelt werden.
Bereits im Vorfeld - und auch am Montag im Rat - löste dieser Gegenvorschlag Kritik aus. Er sei nur vermeintlich ein Gegenvorschlag, argumentierte die Ratslinke. Ein direkter Zusammenhang wurde angezweifelt.
Aus diesem Grund liess die zuständige Wirtschaftskommission des Kantonsrats (Wak) ein externes Gutachten erstellen. Dieses kam zum Schluss, dass der Gegenvorschlag zulässig sei. Mit dem Gegenvorschlag der Regierung könne effizient mehr günstiger Wohnraum geschaffen werden, sagte Wak-Präsident Marcel Suter (SVP, Thalwil).
«Massiver Eingriff»
Markus Bopp (SVP, Otelfingen) bezeichnete die Initiative als einen «massiven Eingriff» in die Wirtschaftsfreiheit. Die SVP stellte sich hinter den Gegenvorschlag der Regierung. Zwar entspreche der Fonds nicht der grundsätzlichen Stossrichtung der SVP - auch er führe zu «schädlichen Marktverzerrungen», sagte Bopp. Ab das Volk solle über diesen Gegenvorschlag abstimmen können.
Mit der Initiative werde versucht, ein Feuer mit einer Giesskanne aus Blei zu löschen, sagte Doris Meier (FDP, Bassersdorf). Diese Kanne sei schwer, teuer und bringe nichts. «Die Initiative glänzt mit Versprechungen, die sie nicht halten kann», sagte Meier. Der Gegenvorschlag hingegen sei «pragmatisch, zielgerichtet und finanzierbar».
Die Mitte-Fraktion bezeichnete den Vorschlag der Regierung als «wirksames Instrument», ein kommunales Vorkaufsrecht hingegen als «unwirksames Mittel» für die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. Mit einem Vorkaufsrecht werde keine einzige Wohnung geschaffen, sagte Thomas Anwander (Winterthur).
SP: «Buebetrickli»
Die GLP unterstützte den Gegenvorschlag der Regierung «mehrheitlich», wie Cristina Cortellini (Dietlikon) sagte. Bei der Initiative beschloss die Fraktion Stimmfreigabe. Ob ein Vorkauf kurz oder mittelfristig tatsächlich zu günstigem Wohnraum führe, bleibe fraglich, sagte Cortellini.
Rafael Mörgeli (Stäfa) sprach sich im Namen seiner Fraktion für die Initiative aus, sie stärke die Gemeindeautonomie. Mörgeli bezeichnete den Gegenvorschlag als «Buebetrickli», zwei grundverschiedene Ansätze würden vermischt: preisgünstiger und subventionierter Wohnungsbau. Die Erhöhung des Fonds habe nichts mit einem Vorkaufsrecht zu tun. Eine Kreditaufstockung sei ohnehin nötig.
Die hohen Mieten gefährdeten nicht nur den sozialen Frieden sondern seien auch schädlich für die Volkswirtschaft, sagte Jasmin Pokerschnig (Grüne, Zürich). Mit dem Vorkaufsrecht bekämen die Gemeinden einen wichtigen Hebel in die Hand, sagte sie. Der Gegenvorschlag sei «zweifelhaft».
Es sei unsinnig, die Bevölkerung über zwei Anliegen abstimmen zu lassen, die sich gegenseitig nicht ausschlössen, kritisierte Thomas Forrer (Grüne, Erlenbach). Sie liessen sich ja parallel umsetzten.
«Zürich brennt wohnpolitisch», sagte Gianna Berger (AL, Zürich). Das Instrument des Vorkaufsrechts funktioniere, wenn man es richtig einsetze. Die Initiative wolle keine Pflicht, sie wolle lediglich die rechtliche Grundlage schaffen. «Gemeindeautonomie pur», nannte sie es.
Gezieltes Vorkaufsrecht
Die EVP schlug schliesslich einen alternativen Gegenvorschlag vor - mit einem gezielten Vorkaufsrecht. Dieses soll unter anderem nur in Gemeinden mit Wohnungsnot greifen und private Erwerber angrenzender Grundstücke nicht benachteiligen.
Der geistige Vater dieser Variante, Donato Flavio Scognamiglio (EVP, Freienstein-Teufen), gestand: «Ich weiss, es ist nicht leicht, ein Leben lang nach der Frau fürs Leben zu suchen und dann sagt der Pfarrer am Traualtar: ‹Diese Frau nehme ich selbst.›» Aber er bezeichnete diese Variante als «Kompromissvorschlag». Denn: "Wollen wir eine Politik, die dazu führt, dass alle in den Aargau ziehen?"fragte, Scognamiglio.
Der alternative Gegenvorschlag der EVP erhielt zwar Zustimmung von SP, AL, Grüne und Teilen der GLP, fand dennoch keine Mehrheit: Der Rat lehnte ihn mit 99 zu 74 Stimmen ab. Damit ist er vom Tisch.